**Gastartikel von Thomas Thaler**
Ende 2017 wurde von Facebook die „Campaign Budget Optimization” (CBO) vorgestellt, mit der das in der Kampagne eingestellte Budget vom Algorithmus automatisch optimal auf die einzelnen Adsets verteilt wird.
Klingt super – ist es das aber auch im Echtbetrieb? Um das zu klären, schauen wir uns heute eine kleine CBO-Kampagne im direkten Boxduell mit manuell optimierten Kampagnen an. Wir schauen uns dabei auch gleich an, welche Kennzahlen man für eine Erfolgsmessung verwenden sollte und welche ein unvollständiges Bild zeichnen.
In der blauen Ecke des Boxrings: der Facebook-Algorithmus, der sowohl Fantastilliarden an Datenpunkten gesammelt, als auch Milliarden Dollar an Strafen bezahlt hat und weiß, dass wir etwas kaufen wollen, bevor wir es selbst wissen.
In der roten Boxershorts: einer der „größten“ Facebook Performance Marketer Österreichs – zumindest, wenn man die Körpergröße berücksichtigt.
Um mit einem Abwasch auch gleich ein paar andere Fragen beantworten zu können, wurde folgendes Setup gewählt:
- ein langjährig bestehendes Werbekonto im stark saisonalen touristischen E-Commerce. Das Tagesbudget bewegt sich dort während der Wintersaison zwischen 1.000 und 2.000 Euro.
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- Wir haben aus der letzten Saison sechsstellige Klicks und fünfstellige Purchase Events im Konto – eine Testphase von Zielgruppen und Sujets kann daher getrost übersprungen werden.
- Die Landingpages auf der Website funktionieren gut – wir brauchen dort im Schnitt etwa fünf AddToCart Events für ein Purchase Event. Das Ganze läuft in vier Sprachen: deutsch, englisch, französisch und niederländisch.
- Als Zeitraum wird eine der wohl schwierigsten Wochen des Jahres definiert: die Black Fri*** Week vom 25.11.2019 bis 01.12.2019.
- Als Attributionsfenster für die Optimierung wählen wir 1 day view/1 day click.
DIE ZIELGRUPPEN
Custom Audiences aus Webtraffic kann man ja standardmäßig maximal aus den letzten 180 Tagen generieren. Dies ist im konkreten Fall ein wenig ärgerlich, da sich in der Nebensaison im Mai vielleicht ein paar tausend Zugriffe auf die Website verirren – während der Hauptsaison im Januar allerdings Millionen.
Um diese Bestandskunden nicht im Targeting zu verlieren, müssen wir also erstmals in die Trickkiste greifen. Gemäß unserem Credo „Gut geplant ist halb geROASt“ machen wir das rechtzeitig bereits im April: Wir spielen an die Website-Besucher der abgelaufenen Saison 2018/19 ein nettes und unverbindliches Imagevideo ohne Text (optimiert auf Videoaufrufe) aus und retten mit einer Custom Audience aus den dreisekündigen Viewern dieses Videos zumindest einen Großteil der Daten für zukünftige 365 Tage.
Achtung: Dieses Video (auch wenn es bereits im Werbekonto gespeichert ist) immer mit einem neuen Dateinamen hochladen – nur so können wir eine exakte Custom Audience bilden. Bitte solche Zielgruppen niemals schon bei der Generierung nach Sprachen aufteilen – das erfolgt erst (viel) später beim tatsächlichen Einsatz.
ES KANN LOSGEHEN
Für die blaue Ecke, in der der Facebook-Algorithmus schon ungeduldig mit seinen Bytes scharrt, machen wir es uns einfach und werfen kunterbunt alle möglichen Zielgruppen in allen möglichen Sprachen in eine einzige CBO-Kampagne mit 500 Euro Tagesbudget, optimiert auf Conversions: rollierendes Retargeting der letzten 90 Tage plus Bestandskunden der letzten Saison plus zusätzlich ein Prozent value-based Lookalikes, basierend auf dem Purchase Event.
“Top of Funnel” (ToFu) und “Bottom of Funnel” (BoFu), Prospecting und Retargeting alles in einer einzigen Kampagne – das Ganze ohne Ausgabenlimits, mit ausschließlich automatischen Platzierungen und automatischen Geboten, keine dynamischen Creatives nach Platzierung. Der Fairness halber zumindest die Adset-Optimierung auf AddToCart und ein in den Vorjahren bewährtes Sujet in Form einer Video Ad.
Ein wahrer Graus für Menschen, die eine solide Struktur der Kampagnen bevorzugen. Die rote Ecke lächelt milde: “Das kann so nicht funktionieren.” Siegessicher greifen wir daher im roten Lager auf die praktische Erfahrung vieler Jahre zurück und strukturieren die Kampagnen aus dem Lehrbuch für Performance Marketer. Die historischen Daten zeigen uns eine klare Präferenz nach Sprachen: Der englisch sprechende Quellmarkt in ganz Europa funktioniert am besten – absteigend gefolgt von französisch und niederländisch. Deutsch war bisher immer das Schlusslicht.
Wir separieren daher die Kampagnen nach Sprachen und verteilen ständig das Budget dynamisch nach Ergebnissen. Abhängig vom erzielten ROAS gibt es ein nach oben offenes Tagesbudget. Um den Algorithmus mit einer epischen Niederlage weinend nach Hause zu schicken, verzichten wir in diesem Test auf Prospecting und setzen ausschließlich auf den gewohnt starken BoFu Funnel.
MANCHMAL KOMMT ES ANDERS, ALS MAN(N) DENKT
Entgegen aller Versuche der roten Ecke, den Algorithmus mit einer fast unmöglichen Kampagnenstruktur zu demütigen, zeigen die Ergebnisse bereits nach einer Woche (aus Sicht der roten Ecke) erstaunliche Details.
Schauen wir uns die Taktik des Algorithmus detaillierter an. Die Kampagne „_2019/20 Sales Black Fri*** [automatic]“ beinhaltet sechs unterschiedliche Adsets, die von Facebook automatisch mit Budgets (=ausgegebener Betrag) versehen wurden.
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Für die tatsächliche Beurteilung der Ertragskraft brauchen wir jetzt noch ein paar eigene Kennzahlen, die Facebook leider nicht standardmäßig anbietet. Um uns täglich Lebenszeit abzuzapfen, sind diese sogenannten Custom Metrics, mit der jede gewünschte Formel abgebildet werden kann, nur in den Facebook-Berichten, nicht aber im Ads Manager möglich. Niemand weiß, warum das so ist.
Mit der Custom Metric „Deckungsbeitrag“ (=generierte Umsätze minus Werbeausgaben) können wir nun die Schlagkraft, respektive Profitabilität der einzelnen Adsets beurteilen. Anders als der auch gern verwendete ROAS (=Return of Advertising Spend) zeigt sie kein reines Verhältnis, sondern absolute Werte, wie viel Euro ein Adset erwirtschaftet hat. Die Werbeanzeigengruppe mit dem höchsten ROAS (=6) generiert nicht zwangsläufig den höchsten Deckungsbeitrag (=2).
Unter der „Kaufquote“ bilden wir das Verhältnis zwischen AddToCart und Purchases ab – je niedriger, desto besser für uns. Bitte diese Kennzahl nicht mit der Conversion-Rate des Webshops verwechseln.
Der „Transaktionswert“ zeigt uns den durchschnittlichen Umsatz pro Purchase – je höher, desto besser für uns.
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Bei genauem Hinschauen offenbart das automatische Kampagnen-Management die ersten Fragezeichen: Der Algorithmus hat offenbar das höchste Budget (=1) in das schwächste Adset gesteckt und somit verbraten. Das niedrigste Budget (=6) wurde in ein Adset mit hohem Potential investiert, welches sicherlich noch mehr Deckungsbeitrag generieren hätte können.
AM BLACK FRI*** KANN MAN NICHT LUKRATIV WERBEN, ODER?
Das Auktionsmodell von Facebook berücksichtigt eine Reihe von Faktoren wie Gebote, Aktionsraten oder User-Erfahrungen – unter anderem aber auch, wie viele andere Unternehmen zeitgleich dieselbe Zielgruppe ansprechen wollen. Je umkämpfter eine Zielgruppe, desto höher ist in der Regel der CPM (=Tausenderkontaktpreis).
Wenig überraschend steigt daher in der Black Fri*** Week infolge besonders starkem Werbedrucks der CPM von Tag zu Tag. In unserem Fall stieg er zwischen Montag, dem 25.11. und Freitag, dem 29.11. um mehr als 50 Prozent an.
Trotz des höheren Einkaufspreises war der Black Fri*** allerdings für uns der mit Abstand lukrativste Tag (=Deckungsbeitrag). Wäre doch schade gewesen, wenn wir das aufgrund irgendwelcher Branchen-Gerüchte verpasst hätten.
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WIE VIEL IST ZU VIEL?
Die Beurteilung der Frequenz ist ein Hund. Rein mathematisch führt die Erhöhung der Frequenz zwar in der Regel zu einer Senkung der Klickrate (=CTR) und Erhöhung des Klickpreises (=CPC).
Nachdem aber beide Werte maximal sekundäre Kennzahlen und keine für den Kampagnenerfolg wichtigen KPIs (Key Performance Indicator) sind, halten wir es in der roten Ecke eher mit dem Profi Jon Loomer, der dazu meint „Is the campaign profitable? If so, who cares what the frequency is?“ und verweisen an dieser Stelle auf das Zitat eines großen Mannes, der einmal auf dem Facebook Ads Camp gesagt haben soll „Es gibt nur eine Frequenz – die maximale Frequenz!“
FAZIT
Die blaue Ecke (=automatic) hat solide Resultate geliefert und die manuelle Optimierung der roten Ecke (die anderen vier Kampagnen) mehr als souverän gekontert. Zu berücksichtigen ist auch die investierte Zeit: Die automatische Kampagne wurde nach dem Einstellen kein einziges Mal modifiziert – der Zeitaufwand des laufenden Kampagnen-Managements ist also mehr als überschaubar und erfordert de facto kein Detailwissen.
Noch kann man mit guter manueller Optimierung einiges mehr herausquetschen – in allerdings spätestens zwei bis drei Jahren werden sämtliche Facebook Performance Marketer wohl ihr Betätigungsfeld deutlich anpassen müssen. Bis dahin wird der Facebook-Algorithmus die derzeit noch teilweise auftretenden Kinderkrankheiten der Budgetverteilung mit ziemlicher Sicherheit beseitigt haben.
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